MUWIT Award 2007

 Die konkreten Instrumente zur Ausgestaltung des Konzepts „Nachhaltigkeit“

1. Das vorbereitende bzw. nachbereitende Transfergespräch

Als Transfergespräche werden die einem Leadership Values-Seminar vor- beziehungsweise nachgeschalteten Gespräche zwischen dem Vorgesetzten und der jeweils teilnehmenden Führungskraft bezeichnet. Als Gesprächsbasis und zur Vorbereitung dienen zum einen die Einschätzungen und Entwicklungsempfehlungen aus den Potenzialanalyseverfahren (diese werden im Unternehmen als Assessment Center oder Management-Audit anhand konkreter Kompetenzprofile regelmäßig durchgeführt) oder dem jüngsten Mitarbeitergespräch. Zum anderen erhalten die jeweils teilnehmenden Führungskräfte und deren Vorgesetzte im Vorfeld ausführliche Informationen über die Inhalte des anstehenden Trainingsseminars. Anhand eines definierten Gesprächsleitfadens werden dann gemeinsam relevante Fragestellungen erfasst und konkrete Seminarziele formuliert. Das Transfergespräch dauert ca. 15 Minuten. Der so erstellte Vorbereitungsbogen wird zur konkreten Ausarbeitung der Seminarinhalte an noesis gesendet.

Im nachbereitenden Transfergespräch reflektieren Vorgesetzte und Teilnehmer, wieweit alle Fragestellungen geklärt und die Lernziele erreicht werden konnten. Außerdem wird besprochen welche konkreten Umsetzungsvorhaben die Teilnehmer formuliert haben und wobei es gegebenenfalls weiterer Unterstützung des Vorgesetzten bedarf.

Nach anfänglichem Zögern und der Überlegung, dass keine Zeit für das Führen von Transfergesprächen gegeben sei, werden die Transfergespräche von den Vorgesetzten nun zunehmend wahrgenommen. Einer der zentralen Gründe hierfür ist, dass diejenigen Teilnehmer, die als Vorgesetzte selbst solche Gespräche mit ihren Mitarbeitern geführt haben, im nachfolgenden Seminarmodul sehr positiv über deren Wirksamkeit bezüglich des Transfers berichten. Die Steigerung der Nachhaltigkeit wird hier durch die Verteilung der Module über einen längeren Zeitraum und die Ermöglichung des Austausch über die Erfahrungen, die mit den Lerninhalten gemacht wurden, gefördert. Das Modell des Lerntransfer von Wilkening (siehe oben) bestätigt sich.

2. Der persönliche Kompetenzkompass

Der Kompetenzkompass ist ein Verfahren, welches als persönliches oder kollektives Instrument zur Standortbestimmung zum Start und Ende jedes Seminars genutzt wird. Es hat als Ziel, die konkreten Erfahrungen und den Wissensstand für alle Teilnehmer sichtbar zu machen, und damit eine Art Messlatte des Lernens für das Seminar zu etablieren. Auch dieses Instrument wurde basierend auf den Forderungen zur Schließung der Transferlücke nach Wilkening entwickelt („sichtbar machen des Wissens und Erfahrungsstandes der Teilnehmer“). Gegen Ende des Seminars schätzen die Teilnehmer anhand des Kompetenzkompass wiederum ein, wieweit sich ihr Wissens- und Erfahrungsstand ausgedehnt hat, wo möglicherweise noch zentrale Fragen offen sind beziehungsweise sich eröffnet haben. Nicht alle Fragestellungen müssen im Seminar beantwortet werden und auch neue Fragen von Wichtigkeit zu finden, fördert die Nachhaltigkeit von Lernen (van der Burg & Locher, 2000).

Die Hauptachsen des Kompetenzkompass definieren sich aus den Kerninhalten zum jeweiligen Seminarmodul. Die persönliche Einschätzung der Teilnehmer anhand dieser Dimensionen und die wiederkehrende Beschäftigung mit diesen fördert nicht nur das sich Vergegenwärtigen des eigenen Wissens, sie fördert auch den Aufbau einer entsprechenden Wissensstruktur. Dies wird an dem im Anhang dargestellten Kompetenzkompass zum Thema „Change Management: Den Wandel gestalten“ sichtbar.

3. Das kollegiale Coaching

Im Rahmen des kollegialen Coachings übernehmen Kollegen der gleichen Hierarchie-Ebene gegenseitig die Spiegel- bzw. Impulsfunktion eines Coaches für einander. Das heißt konkret, dass die Beteiligten abwechselnd sowohl in die Rolle des Coaches als auch in die Rolle des Coachee schlüpfen. Die Methode des kollegialen Coachings trägt den Forderungen eines zeitgemäßen Wissensmanagement und des reziproken Lernens in vorzüglicher Weise Rechnung: Jeder ist Gebender und Nehmender, Wissender und Lernender zugleich. Eine Situation, die insbesondere auch einem Coaching durch den eigenen Vorgesetzten weit überlegen ist. Denn der Vorgesetzte ist in vielen Fällen zugleich auch der Entscheider über Beurteilungsverfahren und Karriereschritte. Eine Situation, die viele Führungskräfte davon abhält, sich mit ihren Führungsproblematiken an ihre Vorgesetzten zu wenden beziehungsweise ihre Führungskraft in der Rolle des Coaches zu akzeptieren (vgl. Schreiögg, 1999). In der Leadership Values Reihe wird kollegiales Coaching sowohl zur Reflexion von Lerninhalten und persönlichen Fallarbeiten als auch zur Definition von Entwicklungszielen oder zur Planung sowie Durchführung von Maßnahmen genutzt. Absolute Vertraulichkeit ist Voraussetzung. Das kollegiale Coaching birgt einen vielfältigen Nutzen: Es sichert die Nachhaltigkeit in der Anwendung des erlernten Wissens in enormen Ausmaß (Wilkening 2002) und es generiert ein Netzwerk, welches die Veränderungs- und Lernbereitschaft stärkt und beim Aufnehmen von Erfahrungen, Aufspüren von Möglichkeiten und Streben nach Erfolgen hoch bedeutsam ist. Das Instrument des kollegialen Coachings wird sowohl während des Seminars als auch in der Folgezeit eingesetzt. Treffen mit einem Kollegen aus dem Teilnehmerkreis im Sinne des kollegialen Coachings werden in jedem Trainingsseminar konkret verabredet. Die Coaching-Partner treffen sich dann, um sich zu einer konkreten Fragestellung aus dem Seminar und / oder einer persönlichen Fragestellung auszutauschen. Die Methode des kollegialen Coachings wurde von den Teilnehmern der Trainingsreihe sehr positiv aufgenommen und auch von vielen Teilnehmern eigeninitiativ mit sogar mehreren Coaching-Partnerschaften fortgeführt. Die Feedbacks der Teilnehmer zeigen, dass sie durch diese Form des Coachings einige Führungsaufgaben konstruktiver und zufrieden stellender wahrnehmen können.

4. Das Transferjournal

Das Transfer-Journal ist eine Art individuelles Lernprotokoll, das in die Teilnehmerunterlagen eingefügt ist und durch das jeweilige Seminar hindurch gefüllt wird. Dieses Protokoll bietet nach definierten Abschnitten im Trainingsseminar Gelegenheit, aktuelle Erkenntnisse und Fragestellungen anhand konkreter Leitfäden zusammenfassend zu reflektieren (manches Mal mit einem Coaching-Partner). Diese Leitfäden sind entsprechend der Vorsatztheorie von Gollwitzer (1996) formuliert. Die Theorie besagt, dass der Umsetzungsgrad von Lerninhalten ansteigt, wenn der Akteur ein konkretes Ziel formuliert, welches mit einem Vorsatz der Art „Wenn die Situation Y eintritt, dann führe ich das zielführende Verhalten Z aus“ verknüpft wird. Entsprechend den drei Routen des Zielsetzens, die den Transfer weiter verstärken können (vgl. Gollwitzer 1996), werden die Teilnehmer gegen Ende des Seminars zudem aufgefordert, sich ihre zentralen Handlungsvorsätze in möglichst positiven Fantasien auszumalen (zum Beispiel in Form von „Mein Nutzen daran wird sein...“) und sich vorzustellen, was die Konsequenzen sein können, wenn das entsprechende Handeln nicht verändert wird („Konstrastieren“). Auch wird durchdacht, welche Umgebungsvariablen die Handlungsvorsätze eher behindern und welche sie eher fördern können. Laut Frey (1996) erhöhen diese systemischen Betrachtungen die Lernwahrscheinlichkeit weiter. Diese Handlungsvorsätze sollen auch die Grundlage des mit dem Vorgesetzten zu führenden Transfergesprächs sein.

5. Die Leadership-Blogs

In einer Art online-Tagebuch zu den Leadership Values-Seminaren können die Teilnehmer in Ruhe nochmals die digitalen Fotoprotokolle ihrer und aller weiteren Veranstaltungen durchstöbern. Insbesondere die Möglichkeit, dabei die Ergebnisse und Erkenntnisse anderer Gruppen zu vergleichen, lädt hierzu ein. Auch die Teilnehmerfeedbacks einschließlich der konkreten Kommentare werden veröffentlicht. Dabei ist in der Teilnehmerübersicht pro Seminar immer zu erkennen, wer an der jeweiligen Veranstaltung teilgenommen hat. Zielsetzung des Leadership-Blogs ist, den Austausch zwischen den Führungskräften auch über das Seminar hinaus zu fördern und damit wiederum den Transfer des Gelernten zu verstärken. Auch hierarchische Unterschiedlichkeiten sowie Gemeinsamkeiten werden sichtbar, was durchaus häufig zu erstaunlichen „Aha-Effekten“ führt. In den Leadership-Blogs fallen damit die gewünschten Verhaltensweisen und Vorhaben immer wieder ins Auge und dienen so zur Erinnerung und Kontrolle (Frey, 1996). Die Protokolle und Teilnehmer-Feedbacks werden regelmäßig mit persönlichen Anmerkungen, Standpunkten und Diskussionsbeiträgen versehen. Damit die Blogs funktionieren können ist es wichtig, dass regelmäßig auch Einträge von Mitgliedern des Vorstands und der ersten Führungsriege zu finden sind. Auch hier gibt es eine wichtige Vorbildfunktion, die nicht nur signalisiert „ich lese den Blog“, sondern auch, dass das Thema Transfer von Gelerntem und Nachhaltigkeit ständig im Fokus stehen.

6. Der Villeroy & Boch-Managementdialog

Der Villeroy & Boch-Managementdialog ist eine Großgruppenveranstaltung (ca. 140 Teilnehmer treffen sich) für die Führungskräfte des Unternehmens, die 2-3 mal jährlich, auch in den Tochtergesellschaften stattfindet. Die Veranstaltung hat zum Ziel, die gewünschte Führungskultur nachhaltig im Unternehmen zu etablieren und nutzt hierzu neuere und bisher im Unternehmen weniger bekannte Dialogformen. Je nach spezifischer Zielsetzung finden sich in den Managementdialog-Veranstaltungen unter anderem Elemente der Open-Space-Technik, des World-Cafe und des Sounding-Board (Holman & Devane, 2002). Immer gleich bleibend ist die Aufteilung der Veranstaltung in Plenumsphasen und in hierarchieübergreifende Gruppenarbeitsphasen. Dies stellt eine Veränderung der gewohnten Strukturen und Normen dar. Diese Vorgehensweise soll der Erfahrung entgegen wirken, dass häufig Vorsätze oder neue Verhaltensweisen trotz vorhandener Einsicht nicht realisiert werden, weil bestehende Strukturen und Normen sich nicht verändern (Frey, 1996).

Der 4. Villeroy & Boch-Managementdialog in Deutschland im Dezember 2006 stand unter dem Motto der Nachhaltigkeit der Leadership Values-Reihe. Als Vorbereitung für diese Veranstaltung wurde eine Befragung (siehe Anhang) zur Umsetzung der Inhalte der Leadership Values-Trainings durchgeführt. Spezifische Zielsetzung dieser Befragung war es, zu erkennen, wieweit es den Teilnehmern der Trainingsreihe möglich war, ihre Erkenntnisse und Vorhaben bis zu diesem Zeitpunkt in die Praxis um zu setzten. Die Teilnehmer meldeten zurück, dass sie 2/3 der Seminarinhalte in der Praxis anwenden können. Entsprechend dem Motto standen auch hier die Fragen „Was hindert Sie bei der Umsetzung der Trainingsinhalte“ und „Was brauchen Sie, um die Seminarinhalte noch besser umzusetzen?“ wieder im Fokus. Die Ergebnisse der Evaluierung bildeten dann die Grundlage zum weiteren Austausch in der Veranstaltung. Hier wurden folgende Fragestellungen bearbeitet:

Fragestellungen aus der Dialog-Runde des 4. Managment-Dialog:

Wahrnehmungen: Was ist uns bei der Präsentation der Umfrageergebnisse zu den Leadership-Values-Seminarreihen aufgefallen? Fazit hierzu?

Glaubensprüfung: Glauben wir eigentlich wirklich, dass intensivere Führungsarbeit uns in unserem unternehmerischen Erfolg voranbringt?

Die Messlatte anlegen: Woran würden wir erkennen, wenn sich die Villeroy & Boch - Führungskultur in Richtung unserer Führungsgrundsätze (auf der Skala von 1-10) um mindestens 2 Punkte verbessert hätte?

Zur Tat schreiten: Was müssen wir tun, um die Villeroy & Boch - Führungskultur um mindestens diese 2 Punkte zu verbessern?

Die Ergebnisse im Fotoprotokoll zur Veranstaltung (siehe Anhang) machen sichtbar, dass die Führungskräfte die Veränderung der Führungskultur als wichtigen Faktor für den Unternehmenserfolg einschätzen und dass sie diesen Weg weiter gehen wollen. Es wurden konkrete Messkriterien und Handlungsvorhaben für den weiteren Führungserfolg formuliert und von allen Teilnehmern unterschrieben.

7. Meet & Greet

Ein weiterer Schlüssel um die Nachhaltigkeit der Trainingsseminare zu verstärken ist das „meet & greet“-Treffen, das ein fester Baustein der Trainingsseminare ist und regelmäßig zum Abschluss des ersten Seminartages stattfindet. Ein Vorstandmitglied kommt am Abend als Gast zu der Veranstaltung hinzu. Es beantwortet Fragen der Trainingsteilnehmer und diskutiert mit diesen die Ergebnisse des ersten Seminartages, Umsetzungsmöglichkeiten, -Chancen & -Hindernisse.

Auch hierdurch wird noch einmal die Bedeutung des Themas Führung für das Unternehmen hervorgehoben und der Transfer in das Unternehmensumfeld weiter verstärkt.

8. Der Villeroy & Boch-Führungsspiegel

Der Villeroy & Boch-Führungsspiegel ist ein web-basiertes Verfahren mittels dessen wahrnehmbar wird, an welchen Punkten in Bezug auf das Führungsverhalten im Sinne der Villeroy & Boch Führungsgrundsätze bei den jeweiligen Führungskräften noch Optimierungsbedarf besteht beziehungsweise welche Führungsgrundsätze schon stark gelebt werden. Der Führungsspiegel wurde auf Grundlage der Villeroy & Boch Führungsgrundsätze entwickelt und gibt zu jedem der Grundsätze jeweils sieben Verhaltensbeispiele vor, die von den Mitarbeitern bezüglich der Erfüllung auf einer Skala eingeschätzt werden. Das Instrument dient somit dazu, den Führungskräften eine konkrete Analyse ihres Führungsverhaltens bereitzustellen, welche die Reflexion der Führungsgrundsätze in den Trainingsseminaren wieder aufgreift und vertieft. Nun können daraus wichtige persönliche Reflexionsanstöße und Handlungsimpulse gewonnen werden. Durch die gemeinsame Bearbeitung im Team steigt die Nachhaltigkeit des Feedbacks.

Der Villeroy & Boch Führungsspiegel wird verpflichtend von allen Führungskräften des Unternehmens durchgeführt. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die Hauptbarriere für die Initiierung beziehungsweise Aufrechterhaltung von Verhaltensänderungen in Unternehmen die vorherrschenden sozialen Normen darstellen (siehe auch Frieling, 2006). Indem das Unternehmen die Durchführung klar einfordert, wird der für die Anwendung des Führungsspiegels benötigte normative Rahmen geschaffen und die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltigen Veränderung der Führungskultur der Villeroy & Boch AG klar erhöht.

Zum Start des Führungsspiegels beruft die Führungskraft ein Informationsmeeting für die Mitarbeiter zur Darstellung der Zielsetzungen und des detaillierten Ablaufs ein. Im Anschluss bekommen die Mitarbeiter per E-Mail einen Zugangscode zur Teilnahme an dem online-Verfahren zugesendet. Die Antworten werden automatisch und anonym ausgewertet und zu einem Gesamtwert pro Führungsgrundsatz verdichtet. Die verdichtete Auswertung wird der Führungskraft zur Verfügung gestellt, die die Ergebnisse zusammen mit dem Team im Rahmen eines Team-Feedbackgesprächs betrachtet. Die Führungskraft erhält zusätzlich für sich als Benchmark die durchschnittlichen Werte Ihrer Ebene. Das Team-Feedbackgespräch orientiert sich an einem exakten Vorgehensplan, welcher die wesentlichen und erfolgsrelevanten Aspekte abdeckt. Auf Wunsch der Führungskraft kann diese Veranstaltung mit Hilfe interner oder externer Moderatoren durchgeführt werden.